
Zu Risiken und Nebenwirkungen uneinheitlicher Abbildungen von Designs im Verletzungsverfahren
Die Verwendung uneinheitlicher Abbildungen bei (nationalen) Design- bzw. (europรคischen) Geschmacksmusteranmeldungen kรถnnen im Verletzungsprozess mitunter zur Nichtigkeit des Klagedesigns fรผhren, soweit auch nach Auslegung unauflรถsbare Widersprรผche verbleiben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nun kรผrzlich erneut anschaulich mit den Grenzen der Auslegung des Schutzgegenstands eines mรถglicherweise widersprรผchlichen Designs auseinandergesetzt.
Der Sachverhalt
Der Klรคger ist Inhaber eines eingetragenen, nationalen Designs fรผr Schneidebretter. Das beanspruchte Design ist im Register mit insgesamt drei schwarz-weiร Fotografien hinterlegt. Eine Abbildung zeigt das auf zwei Holzschienen stehende Kรผchenschneidebrett mit einer halb eingeschobenen Auffangschale. Auf der Schnittflรคche ist Gemรผse zu sehen, in der Schale liegen Gemรผseabfรคlle. Die zwei weiteren Abbildungen zeigen jeweils eine perspektivische Darstellung des Schneidebretts, jedoch ohne Auffangschale. Eine erlรคuternde Beschreibung oder ein Warenklassenverzeichnis hatte der Klรคger bei der Anmeldung nicht eingereicht. Die beklagte Online-Hรคndlerin bot รผber ihren Internetshop รคhnliche Schneidebretter mit Auffangschale an. Nach erfolgloser Abmahnung wegen Designverletzung verlangte der Klรคger gerichtlich unter anderem Schadenersatz und Erstattung der Abmahnkosten. Die Beklagte wiederum beantragte im Wege der Widerklage, das Design fรผr nichtig zu erklรคren und den Inhaber zu Schadenersatz wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu verurteilen. Erstinstanzlich obsiegte der Klรคger, das Berufungsgericht erklรคrte jedoch das Design fรผr nichtig, da es unzulรคssig sei, aus den verschiedenen Ausfรผhrungsformen des dargestellten Schneidebretts mit und ohne Auffangschale eine Schnittmenge zu bilden und die Designanmeldung auf die Erscheinungsform des Schneidebretts ohne Schale zu reduzieren. Die Anmeldung zeige gerade nicht die Erscheinungsformย einesย Erzeugnisses, sondern zweier Erzeugnisse. Der BGH hob das Urteil nun auf Revision des Klรคgers auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurรผck.
Die Entscheidung
Der BGH bemรคngelte die vom Berufungsgericht gegebene Begrรผndung als ungeeignet, das Design fรผr nichtig zu erklรคren. Das Gericht habe nicht hinreichend berรผcksichtigt, dass die zum Register eingereichten Darstellungen keine miteinander unvereinbaren Merkmale zeigten, sondern die erste Darstellung lediglich Elemente enthalte (die Auffangschale mit Gemรผseabfรคllen und Gemรผse auf dem Schneidebrett), die auf den weiteren beiden Darstellungen nicht zu sehen sind. Es sei daher im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob mit dem Design Schutz fรผr ein Schneidebrett ohne Auffangschale (als Einzelerzeugnis) oder fรผr ein Schneidebrett mit Auffangschale (als Kombinationserzeugnis) beansprucht wird. Nur falls dies auch nach Auslegung unklar bleibe, sei im Zweifel das Design wegen Uneinheitlichkeit als nichtig anzusehen. Gerade bei Gebrauchsgegenstรคnden des tรคglichen Lebens lasse sich ein Kombinationserzeugnis nicht allein wegenfehlender รคsthetischer Abstimmung der abgebildeten Gegenstรคnde verneinen. Maรgeblich sei letztlich, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise den hinterlegten Abbildungen entnรคhmen. Das Berufungsgericht wird nun durch Auslegung erneut ermitteln mรผsse, ob sich die (vermeintlichen) Widersprรผche nicht doch zu Gunsten eines Einzelerzeugnisses (Schneidebrett) oder Kombinationserzeugnisses (Schneidebrett mit Auffangschale) auflรถsen lassen.
Anmerkung
Der Fallย Schneidebrettย zeigt eindrรผcklich auf, dass bereits bei der Anmeldung von Designs/Geschmacksmustern mรถglichst eindeutige Ansichten gewรคhlt und ggf. auf die Sammelanmeldungen ausgewichen werden sollte. Potentielle Fehlerquellen, wie etwa unscharfe oder schlecht belichtete fotografische Darstellungen, die Verwendung nicht neutraler Hintergrรผnde, die Darstellung nicht eindeutig als (erlรคuterndes) Beiwerk erkennbarer Gegenstรคnde oder die Abbildung verschiedener Farben und Oberflรคchenstrukturen sollten vermieden werden. Verbleibt โ trotz Auslegung โ ein unauflรถsbarer Widerspruch zwischen den Ansichten, birgt dies erhebliche Risiken:
Im Anmeldeverfahren fรผhren Widersprรผchen zur Zurรผckweisung des Designs. Im Nichtigkeitsverfahren kommt eine nachtrรคgliche Aufteilung einer Einzelanmeldung in mehrere Designs nicht in Betracht. Im Verletzungsverfahren ist die Vermutung der Rechtsgรผltigkeit eines eingetragenen Designs und die Mรถglichkeit der Auslegung des Designs im Zweifel nur schwacher Trost gegen die Mรถglichkeiten des Verletzers, der Klage durch Nichtigkeitswiderklage oder Nichtigkeitsantrag โden Boden unter den Fรผรen wegzuziehenโ.
(BGH Urt. v. 24.3.2022 โ I ZR 16/21 –ย Schneidebrett)